Erlebte Naturgewalt eines Tsunami in der Ankerbucht von Atuona/Hiva Oa - und mittendrin die KYORY! 

Nachfolgend gehe ich im Detail nochmals auf diesen in der Nacht vom 16. auf den 17. September miterlebten Tsunami ein. Aus schicksalshaften Gründen musste ich hier dieses unglaubliche Schauspiel einer solch verheerenden Naturgewalt - mittendrin die KYORY - mit meinen eigenen Augen von der nahen Pier aus miterleben! Da dieser Tsunami um Mitternacht seinen Anfang nahm, kann ich hier natürlich auch keine Fotos dieser nächtlichen Geschehnisse einsetzen. Ausgelöst hatte diesen Tsunami ein Erdbeben von 8.3 in Chile, wobei seine Wellen nach nur gut 10 Stunden bereits die über 4.000sm entfernte Südsee erreichte und leider hier auch die kleine Bucht von Atuona/Hiva Oa heimsuchte. Und in dieser Bucht lagen an diesem 16. September gegen Abend mit der KYORY total sieben Segelboote vor Anker. Um 1800 erfolgte, durch aufsuchen jedes der vor Anker liegenden Boote, die Alarmierung durch die Coast Guard. Das erste Auslaufen der See um etwa 2m Höhendifferenz aus der Ankerbucht wurde auf 2340 angekündigt. Die gleich nachfolgend in die Bucht einlaufende erste Tsunami-Welle sollte eine Höhe von 1m Höhe über dem aktuellen Wasserstand erreichen. Und um ca. 0200 sollte dann nach etwa 12maligen aus- und einlaufen der See sich das ganze wieder beruhigen. Diese nun mit gebundenen Händen durchzustehende Warterei bis Mitternacht sowie dann diese Kraft des während über 2 Stunden tobenden Tsunami hautnah mitzuerleben, war in meinem bisherigen Leben das wirklich unglaublichste und eindrücklichste Erlebnis einer Naturgewalt.

Hier nun nachfolgend der chronologische Ablauf dieser Tsunami-Stunden: Mit der Alarmierung um 1800 kam auch gleichzeitig der Befehl, dass alle sieben hier vor Anker liegenden Segelboote sowie die an der Mole vertäuten sechs Fischerboote die Bucht bis um 2100 zu verlassen hätten. Wir Skipper wurden angehalten, draussen östlich vor der Bucht-Einfahrt zu ankern womit die Crews mit ihren Booten nicht direkt in die Fänge des Tsunami geraten würden. Nun geisterte mir aber seit der Alarmierung die Angst um mein zuhause in meinem Kopf herum!? Und dies zum ersten Mal seit ich mit der KYORY unterwegs auf dieser Langfahrt bin. Denn leider sind mit der KYORY auf drei der sieben hier vor Anker liegenden Segelboote - denen von Kees, Chris und mir - noch Motor-Reparaturen offen, dh wir können unsere Bootsmotoren gar nicht in Betrieb nehmen! Was natürlich nun bei diesem unausweichlich auf uns zukommenden Szenario eine Riesenkatastrophe war. Die Coast Guard gab uns dreien dann das OK - auf unser eigenes Risiko  - unsere Boote hier in der Bucht vor Anker liegen zu lassen. Sie machten uns aber aufgrund ihrer Tsunami-Erfahrung darauf aufmerksam - so alle fünf Jahre wird hier diese Bucht von einem Tsunami heimgesucht -, dass dabei die Überlebenschance eines Bootes bei fifty-fifty liege! Und sollte es uns wirklich nicht möglich sein, unsere drei antriebslosen Boote nach Draussen zu schleppen, müssten wir während des Tsunami die Boote auf jeden Fall verlassen! Die Coast Guard wollte damit auf etwaige Bergungsaktionen von Crew-Mitgliedern aus an der Küste zerschellten Booten verzichten. Während ich mein Hirn nach möglichen „Wenn/Dann-Szenarien“ forschte, verliessen bereits die vier motorisierten Segelboote sowie die Fischerboote die Bucht um draussen vor Anker zu gehen. Was ich verständlicherweise ohne meinem Maschinen-Problem auch gemacht hätte.

So lagen nun aber Chris, Kees und ich mit unseren Booten weiter in der Anker-Bucht - und sassen in der Tsunami-Falle! Chris gelang es dann gegen 2300 noch ein Motorboot zu organisieren das ihm seine Sagacious hinaus vor die Einfahrt schleppte. Während einer kurzen Besprechung auf der Zucchini wollten Kees und ich dieses Gefahrenpotential, draussen vor Anker ohne Motor und mit reduzierter Batterie-Leistung (va wegen der elektr. Ankerwinsch mit 33kg-Anker an der 10er-Kette) sowie der Strömung in die Bucht hinein, nicht eingehen und entschieden uns unsere beiden Boote, mit dem uns bekanntem Risiko, in der Bucht liegen zu lassen. Ab diesem Zeitpunkt konzentrierte ich mich nur noch auf die KYORY, die an ihrem Ankerplatz bei Niedrigwasser auf knapp 5m Wassertiefe lag. Dh unter dem 1.9m-Kiel hatte ich noch gegen 3m Wasser, wobei aber ein so schweres Boot wie die KYORY in stampfender See schon mal noch einen halben Meter gegen den Grund gedrückt werden kann! Ich entschied mich mit dem Dingi zusätzlich einen zweiten Bug-Anker mit einer 40m-Leine, leider hatte ich keinen Kettenvorlauf mehr, zu setzen und hatte somit zwei Rocna-Buganker (33 und 25kg) sowie den 17kg-Heckanker auf Grund. Anschliessend verstaute ich alle schweren Sachen, va Motor-Bestandteile, im tieferen Boden des Mittelgangs. Bereits um 2100 fuhren übrigens Kees und seine Frau Christine mit dem Dingi an Land, überliessen die Zucchini ihrem Schicksal und begaben sich nach Atuona in eine private Pension, da die beiden am Tag drauf nach Tahiti flogen und Christine dann am Sonntag ein Flugi zurück nach New Zealand bestieg. Ich aber wollte hier unbedingt in der Nähe der KYORY verbleiben und verliess gegen 2200 - mit deinem unguten Gefühl im Magen - das Boot mit dem Dingi, um gleich gegenüber beim Hiva Oa-Wassersportclub die kommenden Stunden zu verbringen. Ich zog das Dingi über Sand und Steine die Sliprampe hinauf an Land, knüpfte es an einer leicht erhöhten Stelle um einen Laternenmast und setzte mich auf die Veranda des kleinen Clubhäuschens. Und immer wieder ging mir die bange Frage durch den Kopf: „Reichen meine drei Anker wohl aus, um diesem Tsunami entgegenzuhalten?“ Alleine wartete ich vorerst mal die Dinge ab, die da bald auf mich zukommen würden. Um meiner angespannten Nervosität etwas entgegen zu setzen unternahm ich so alle 20 Min. einen kurzen Spaziergang zur nahen Tankstelle oder setzte mich auf die Treppe des vor meiner Nase liegenden Anlegers. Dabei verfolgte ich aufmerksam die kleinsten Veränderungen der Wasserstandshöhe. Und die Sekunden und Minuten wollten und wollten einfach nicht vorbeigehen! Ausnahmsweise trug ich  diesen Abend wieder mal eine Uhr am Handgelenk und stelle fest, dass ich wohl in meinem ganzen Leben noch nie auf so oft auf die Uhr geschaut hatte wie in diesen Stunden. Was auch in den kommenden Stunden die KYORY so alles wird durchmachen müssen - nun kann ich für sie rein gar nichts mehr unternehmen!

Dann parkierte um 2300 gleich vor mir ein Pick-up und ein stämmiger Einheimischer kam auf mich zu. Wir stellten und gegenseitig vor und bei ihm handelte es sich um Ani, der hier als Vize-Bürgermeister das Amt des Sicherheitschefs innehat. Er fasste die Aufgabe vor Ort auf der Ostseite der Bucht den Tsunami zu überwachen. Ani, ca. 30jährig, Sek.-Lehrer und ein wirklich wieder sympathischer Hiva Oa-ner leistete mir dann bis zum Tsunami-Ende Gesellschaft und wir erzählten uns in diesen Stunden einiges aus unseren Leben. Damit ich dann nicht weiterhin mit meinem Halogenstrahler die KYORY anleuchten musste, parkierte er seinen Pick-up so, dass das Volllicht stets auf die weisse Bootsfläche zielte. Die KYORY lag nur etwa 150m entfernt vor uns und circa 100m hinter Kees’ Zucchini. Ani erzählte mir in diesen Minuten auch einige Details über den letzten hier vor fünf Jahren zerstörerisch gewüteten Tsunami, der damals mit 3m hohen Wellen in die Bucht eindrang. Die Bewohner von Atuona, von einer Sirene alarmiert, mussten sich zur Sicherheit frühzeitig in höhere Lagen begeben. Und was für mich bei seiner Erzählung einfach unvorstellbar nachzuvollziehen war, betraf seine Aussage, dass sich jeweils nach dem Auslaufen des Wassers die komplette Bucht trocken präsentiert habe. So hätte man damals problemlos - aber die Zeitspanne zwischen dem ein- und Auslaufen der See wäre ja zu kurz gewesen - über dem Grund auf die gegenüberliegende Seite der Bucht spazieren können! Auch machte er mich noch darauf aufmerksam, dass übrigens immer - wie auch beim heutigen hier eintreffenden Tsunami - die dritte und vierte in die Bucht eintreffende Welle jeweils die beiden stärksten seien!
Dann ging die Warterei um 2350 zu Ende und ich hielt ein erstes Mal den Atem an: Fast in Sekundenschnelle floss das Wasser aus der Bucht hinaus und der Wasserstand reduzierte sich um volle 2m. Die KYORY wurde dadurch entsprechend den gesetzten Ketten- und Leinenlängen etwa 30m mit nach vorne gegen den Bucht-Ausgang mitgezogen. Da ich vor dem Verlassen des Bootes noch einige zusätzliche Meter an Kette und Leine ausgegeben hatte, geschah dies noch im Rahmen des Möglichen. Ohne grössere Pause schob sich aber gleich anschliessend die erste Welle mit lautem Getöse in diese kleine Bucht hinein. Stellvertretend für dieses nun sich vielfach wiederholende ein- und Auslaufen der See beschreibe ich an dieser Stelle kurz einmal im Detail: Da sich begleitend, neben dem Volllicht von Ani’s Pick-up um die Bucht herum einige Lichter von Häusern im Wasser spiegelten, konnten wir die dabei entstehende Strömung  genaue mitverfolgen. Beim Einlaufen strömte das Wasser mit rasanter Geschwindigkeit am westseitigen Ufer entlang zum Buchtende hin und wütete dort unter grossem Getöse in diesem bewaldeten Buchtufer. Dann floss das Wasser mit den auf dem Weg geknickten Hölzern mit jeweils nochmals geseigerter Geschwindigkeit vor uns am ostseitigen Ufer vorbei zurück in Richtung der etwa 2.5m hohen Pier-Schutzmauer - wo normalerweise auf der geschützten Hafeninnenseite die Fischerboote vertäut sind - um dann vorerst um die Pier herum die Bucht wieder zu verlassen. Nun gibt es aufgrund dieser sich wiederholenden Strömung dem Buchtufer entlang eine Sogwirkung, die das Wasser im inneren der Bucht im Kreise drehen lässt. Das hatte nun natürlich zur Folge - und das wusste ich nicht zum Voraus -, dass sich die in der Mitte der Bucht verankerte KYORY mit dem Strömungsverlauf im Kreis drehte und dies erst noch stampfend rauf und runter. Dabei geschah schon bei diesem ersten Auslaufen der Welle das unvermeidliche - die Heckankerleine riss! Dadurch wurde die 20t schwere KYORY nach einer 180°-Drehung von der reissenden Strömung weitere ca. 50m gegen den Buchtausgang gezogen, bis sie von den beiden Bugankern gestoppt wurde. Somit verlor also meine KYORY bereits nach dieser ersten Runde den Heckanker! Ich hoffte dann einfach für mich und die KYORY, dass die beiden Buganker im weiteren Verlauf des Tsunami halten würden!?

Aber was wir ab jetzt noch zusätzlich geboten bekamen war für Ani und mich dann absolut unverständlich und unglaublich - diesen Nebenschauplatz beschreibe ich hier jeweils in Kursiv-Schrift: Da lief doch gleichzeitig mit der zweiten einlaufenden unser Skipper-Kollege Dany, ein gegen 70jähriger US-Bürger, mit seinem Katamaran wieder - aber verflixt nochmal, warum denn jetzt schon - in die Bucht ein! Und wir fragten uns ob er wohl vom Teufel geritten wird! Auch hörten wir auf der Westseite die vielen Schaulustigen, die ihm zuschrien doch sofort wieder die Bucht zu verlassen. Auch als er dann zum ersten Mal nahe bei uns vorbeigeschoben wurde versuchten wir ihn mit entsprechenden Signalen zum sofortigen Verlassen der Bucht anzuhalten. Aber erstens wird er in diesem anhaltenden Getöse sicher nichts hören und zum zweiten ist er vermutlich dieser ein- und auslaufenden Flut voll ausgeliefert. Dabei müssen wir schnell feststellen, dass er mit seinen beiden Honda-Aussenbordmotoren nicht viel gegen diese reissende Strömung ausrichten kann! Hat er doch mit seiner limitierten Motoren-Leistung einfach keine Chance diesem Chaos zu entrinnen und wir bangen in diesen Minuten ernsthaft um seine Gesundheit sowie um seinen Katamaran. Dabei hat er natürlich unter diesen mörderischen Bedingungen auch keine Chance etwa hier in der Bucht einen Ankerversuch zu wagen.

Ohne die Möglichkeit einer längeren Verschnaufpause ging auch für mich und Ani auf dem sicheren Festland der Stress stetig weiter. Dies gilt auch für die Zucchini von Kees, die sich in dieser Phase noch plus/minus wacker an ihrem Ankerplatz hielt, übrigens nur unter einem Buganker, gleich unterhalb der vor uns gegenüberliegenden Militärkaserne. Das Wasser lief nun wieder um die 2m ab und nach einer kurzen Zeitspanne traf die zweite Welle in der Bucht ein und das Schauspiel wiederholte sich. Wieder wurde die KYORY der ausgelegten Kette und Leine entsprechend gegen Buchtende und dann beim Auslaufen der See zum Buchtausgang gezogen. Dabei musste ich nun jederzeit davon ausgehen, dass wenn die KYORY noch einige weitere Meter zum Buchtende hin versetzt würde, sie irgendwann auf dem Grund festsass. Aber die beiden Anker konnten sie vorerst vor diesem Horror-Szenario jeweils gut abstoppen. Aber nun sollte ja gemäss Ankündigung von Ani in dieser folgenden dritten Runde die erste um einiges stärkere Welle in die Bucht einlaufen. Aber auch diese dritte Welle entsprach dann in etwa denen der beiden ersten Runden. In diesen Minuten halte ich mich mal einfach an einem Strohhalm fest und wünsche mir, dass dieser Tsunami vielleicht doch kein weiteres Steigerungspotential hat und sich hier in der Südsee vielleicht nicht mehr so stark ausleben wird. Ich wende mich mit meinem Wunschdenken ohne was zu sagen auf Ani zu und er meint, ohne mir dabei grosse Hoffnungen zu machen, dass wir nun einfach mal die nächsten beiden Wellen abwarten sollten.           
Aber bereits bei diesem dritten Auslaufen der See stellen wir, vor allem natürlich ich, mit Eschrecken fest, dass diesmal das Wasser um gegen 3m abläuft!? Und dann dringt diese vierte höhere Welle mit einer begleitend vielfach tosenderen und stärkeren Strömung in die Bucht ein, wobei das Wasser schon vereinzelt über die sich vor unseren Füssen befindliche Pier-Befestigung strömte. Und dann trat ein was ich befürchtete, die starke Flut zog die KYORY in der angestiegenen Wasserhöhe noch weiter in die Bucht hinein und hatte beim Auslaufen der See erstmals Grundberührung - und leider hörte man es auch! Sie legte sich dabei zweimal so um die 15° auf die BB-Seite und ich konnte nur hoffen, dass die beiden Anker auch weiterhin halten und sie vor allem nicht gross mit den vereinzelten hier aus dem Schlick und Sand aufragenden Steinen in Berührung kommen würde. Und dann stockte mir - mit der eh schon in höheren Sphären liegenden Pulsfrequenz - der Atem! Das Wasser floss Meter um Meter aus der Bucht raus und wollte einfach nicht abstoppen! Es kam nur noch ein mehrmaliges „Bitte, nein! Bitte nicht!“ über meine Lippen! Der Wasserlevel reduzierte sich von 2m über 3m auf gegen 4m, womit eigentlich der Kiel der KYORY schon um einen Meter auf oder im Grund stecken müsste. Da nun aber die auslaufende See die KYORY wieder in Richtung Buchtausgang mitriss bewegte sie sich bald wieder über etwas tiefer liegendem Grund und hatte dadurch nur vereinzelt Grundberührung. Und aufgrund der beobachtenden Distanz welche die KYORY dabei zurücklegte, musste ich leider davon ausgehen, dass auch die Leine des zusätzlich ausgelegten 25kg-Bugankers dem stetigen Zug nicht standgehalten und gerissen hat! Also ist die KYORY nun auf Gedeih und Verderb einzig dem 33kg-Rocna-Hauptanker ausgeliefert! Begleitend ging nun auch noch beim Einlaufen dieser vierten Flut die Zucchini auf Slip und immerhin stoppte sie dann ihr Anker wieder, dies aber querab und nahe der KYORY. Also bitte nun nicht etwa noch ein Crash zwischen diesen beiden Booten!
Und im Wissen, dass nach einem solch gesteigerten Auslaufen der See dies sicher auch ein Höhenanstieg der nun fünften einlaufenden Welle zur Folge haben wird - fühlte ich mich, ich gebe es zu, in diesen Minuten schon ein wenig apathisch! Ja und diese fünfte Flut hatte es dann in sich und bevor Ani und ich dann noch nasse Füsse bekamen, stiegen wir schnellstens in seinen Pick-up und fuhren durch das schon 10cm über dem Ufer reissende Wasser auf die drei Meter höher gelegene Strasse. Mit nochmals grösserer Gewalt und lauterem Getöse traf diese Flut in der Bucht ein und das mitgerissene Holz aus dem hinteren Teil der Bucht wurde auf unserer Seite wie Zündhölzli mit lautem geknirsche unter der wenige Meter vor uns liegenden  Anlegepier in Richtung Buchtausgang gedrückt.

Und da immer noch mittendrin der sich weiterhin und sicher unter Todesangst von dieser Naturgewalt im Kreis herum gezogenen Katamaran von Dany! Mit auch uns gebundenen Händen und grosser Angst blieb uns nichts anderes übrig als mit zu verfolgen was die Vorsehung mit Dany und seinem Katamaran geplant hatte. Ich sprach Ani auf etwaige Hilfe seitens eines Rettungsbootes an, dies bei einem jederzeit möglichen auf Grund laufen oder an den gegenüber liegenden Felsen zerschmetternden Katamarans. Leider musste mich Ani dahingehend informieren, dass der Coast Guard auf Hiva Oa und den Nachbarinseln kein entsprechend starkes Seerettungsboot zur Verfügung stehen würde und auch ein etwaiger Rettungsversuch unter solchen Bedingungen nicht in Angriff genommen würde. Dany war dann diesem Tsunami noch eine weitere halbe Stunde machtlos ausgeliefert und erst mit dem späteren achten Auslaufen der See wurde er mit seinem Katamaran aus der Bucht hinaus in die offene See gezogen. - Unsere abschliessende Meinung war klar: Da hat aber Dany wirklich ein Jahrhundert-Glück mit Joker beansprucht, da er und auch der Katamaran, einzig zwei Anker hatte er bei seiner 1stündigen Horror-Fahrt verloren, nicht einen erwähnenswerten Kratzer abbekamen!
Hier noch Danys Kommentar am Tag darauf, nachdem er bereits frühmorgens eine Abmahnung der Coast Guard entgegennehmen musste: „Also ich habe die Warnung so verstanden, dass der Tsunami um 2315 eintrifft und nach einmaligem ein- und Auslaufen der Flut die Geschichte vorbei ist.  Als dann die Flut einmal aus der Bucht hinaus und wieder hinein strömte „dachte“ ich das sei es nun gewesen - und so fuhr ich rein in die Bucht um vor Anker zu gehen!“ Ergänzend fügte er aber doch an, dass er fast in die Hosen geschissen hätte und er dankbar sei dieses Abenteuer zusammen mit seinem Katamaran unbeschadet überstanden zu haben. - Also seiner Coast Guard-Aussage steht eindeutig die Überzeugung von uns anderen Skippern im Raum, dass da Dany anlässlich der Alarmierung einfach nicht richtig zugehört hatte!

Wieder zurück zu den Tsunami-Stunden, wobei Ani und ich ab dem sechsten ein- und Auslaufen der Wellen eine Beruhigung des Strömungsverhaltens feststellten konnten, wobei sich die Höhenunterschiede der See auf die anfänglichen Werte zu anfangs der Flut zurück bewegten. Auch die sich zwischenzeitlich gegen etwa 100m näher zur östliche Buchtseite fest in den Grund verkrallte KYORY konnte langsam aufschnaufen und liess die restlichen acht weiterhin ein- und auslaufenden Fluten über sich ergehen. Auch die Zucchini verblieb dann ohne weitere Probleme zu machen weiterhin in der Nähe der KYORY wobei sich auch ihr Anker auf dem Grunde festbiss. Um 0230, nach diesem über 2.5 Stunden dauernden Tsunami traf ich Vorkehrungen mit dem Dingi wieder auf die KYORY zurück zu kehren.

Gegen 0300 half mir Ani, das Dingi wieder zu Wasser zu bringen. Aufgrund des aber weiterhin in die Bucht hinein strömenden starken Schwell und dem dabei vielen mitgeführten Treibholz tuckerte ich langsam und sehr vorsichtig zur KYORY zurück. Nach meiner Ankunft kontrollierte ich nach dem abdecken der Bodenplatten als erstes die gesamte Bilge nach etwaigen Beschädigungen des Unterwasserbereiches. Dabei fand ich auf den ersten Blick keine Problemzonen oder gar eingelaufenes Seewasser. Aber wie schon während dem Tsunami festgestellt, hängt die KYORY wirklich nur noch am 33kg-Hauptanker an etwa 40m Kette. Vom zweiten Buganker kann ich noch etwa 15m der zerfetzten dicken Ankerleine einziehen und von der Heckanker-Leine gar einen Rest von etwa 20m. Ob ich diese beiden Anker wieder finden werde? Denn es ist dabei zu berücksichtigen, dass natürlich sich auch unter Wasser aufgrund dieser starken ein- und auslaufenden Wellen der Grund um einiges verändert haben wird. An dieser Stelle möchte ich noch meinem Rocna-Anker, wird auch von vielen anderen Seglern in höchsten Tönen gelobt, ein Kränzchen winden. Einfach super, wie er in diesen Stunden die KYORY vor einem möglichen Crash geschützt hat! Was in diesen vergangenen Stunden einem GFK-Boot mit freistehendem Ruder passiert wäre - also ich möchte gar nicht dran denken. Hier hat zum Überleben der KYORY sicher dazu beigetragen, dass sie als Stahlboot auch mit einem wirklich starkem Ruderskeg sowie einem fest verschweissten Kurzkiel ausgestattet ist. Somit kann ich also ein erstes Mal tief durchatmen und mich glücklich schätzen, dass diese erste nächtliche Schadensaufnahme nichts Gravierenderes aufgezeigt hat. Ob aber der Unterwasserbereich und vor allem der Kiel was abgekriegt haben kann ich erst bei einer Kontrolle durch einen Taucher abschätzen. Für mich aber vorab das wichtigste: Die KYORY hat, auch wenn sie neben ihrem hin und her düsen und ewigen stampfen dreimal Grundberührung hatte, diesen Tsunami soweit gut überstanden.
Verständlicherweise bin ich in dieser späten zweiten Nachthälfte noch zu stark „aufgedreht“ und ich finde nach dem aufsuchen der Koje um 0400 keinen Schlaf. Also bin ich um 0530 bereits wieder auf den Beinen und nehme mir Zeit bei einem ausgedehnten Zmorge mit in diesem frühem Morgen mal ausnahmsweise zwei heissen Kaffees! Anschliessend kontrolliere ich nochmals mein Ankergeschirr. Als erstes versuche ich die Kette des Hauptankers hoch zu ziehen. Aber nach wenigen Metern eingezogener Kette muss ich, respektive die Ankerwinsch kapitulieren. Keine Chance, dh die Kette mit Anker muss sich da auf dem Grund um was verwickelt haben und auch dazu benötige ich dann einen Taucher. Beim ums Boot herum tuckern mit dem Dingi finde ich nur wenig unter Wasser eine Leine, die möglicherweise zu meinem Zweit-Anker gehören könnte. Ich sichere diese Leine gleich mal mit einem Fender. Anschliessend schnorchle ich noch in sehr trübem und mit viel Holzabfall verseuchtem Wasser rund ums Boot und stelle dabei fest, dass sich um die Ankerkette mehrere Male zwei dickere zerfetzte Leinen gewickelt haben. Sicher handelt es sich dabei um meine beiden restlichen Ankerleinen. 

Mein kurzes Resümee: Natürlich hat sich dieser soweit für mich und die KYORY noch glücklich verlaufene Tsunami für alle Ewigkeit in meinem Hinterkopf eingebrannt! Könnte ich aber nochmals zurück zur Alarmierung würde ich heute eindeutig anders entscheiden um dieses von mir eingegangene Risiko - die KYORY in der Bucht zu belassen - zu reduzieren: Will heissen, ich würde auf Teufel komm raus alles versuchen um die KYORY durch ein Motorboot raus vor die soweit sichere Hafeneinfahrt schleppen zu lassen um dort vor Anker zu gehen! Dies trotz den begleitenden Unsicherheiten wie kein Motorantrieb, reduzierte Batterie-Kapazität für die Ankerwinsch-Bedienung und Strömung in die Bucht hinein!
 
Gegen Donnerstagmittag, nach der immer noch in den Knochen spürbaren Tsunami-Nacht kamen die Skipper-Kollegen nach und nach mit ihren Segelbooten zurück in die Bucht. Einzig Chris muss mit seiner motorlosen Sagacious noch einen weiteren Tag draussen vor der Bucht liegen bleiben, da ihn erst morgen ein Motorboot zurück in die Bucht abschleppen kann. Freundlicherweise borgt mir Chris, bis mir ein Taucher meinen Ankersalat wieder entwirrt, einen Heckanker mit Kettenvorlauf und Leine. Und bald liegt die KYORY wieder vorbildlich in Linie der Gezeiten-Strömung. Da sich aber leider auf keinem der sich wieder in der Bucht befindlichen sieben Booten ein Taucher befindet, bin ich vorläufig noch im Ungewissen was mein Unterwasserschiff und das Ankerproblem betrifft. Die gleichen Probleme betreffen natürlich auch die Zucchini von Kees. Aber natürlich waren erstens alle für Kees und mich froh, dass unseren beiden Boote - wie es derzeit aussieht - diesen Tsunami soweit also gut überstanden haben. Und ergänzend musste ich natürlich meinen Segler-Kollegen erzählen wie ich diese Naturgewalt in unmittelbarer Nähe miterlebt hatte. Damit beende ich dieses für mich stets im Hinterkopf verewigte unvergessliche Thema Tsunami!