Ein spezieller Beitrag „Über die Körpersprache von Haien“ für unsere Langfahrtenfreunde wie auch für interessierte Blog-Leserinnen und Leser!

Nach zwei Jahren friedlichem Zusammenlebens von Sandra und mir mit den verschiedensten Haien-Arten diskutierten wir im April 2019, bei einem Sundowner im Cockpit unserer österreichischen Freunde Erwin&Lambrini von der Sagitta über dieses uns einfach fesselnde Thema. Dabei übergaben sie uns leihweise ein faszinierendes Buch über Haie, das uns diese einfach lieb gewonnen Meeresbewohner mit vielem uns bis anhin unbekanntem Wissen noch näher brachte. Somit geht ein grosses Dankeschön für diesen Buch-Tipp an die Sagitta-Crew!

Nachfolgend nun einiges Wissenswertes zum Phänomen der „Ang-zination“ (Angst und Faszination) beim Zusammentreffen mit Haien. So ist es doch grundsätzlich unverständlich warum wir gerade vor dem Hai Angst haben. Denn die wenigsten Menschen haben je einen Hai gesehen und kamen noch weniger wirklich in eine Situation, in der sie von einem Hai bedroht wurden. Und doch fürchten sich neun von zehn Menschen vor Haien! Wenn man aber einmal verstanden und auch wirklich realisiert hat, dass man sich vor Haien nicht zu fürchten braucht, wird man schnell merken, dass auch andere Dinge in unserem Leben vielleicht nicht auf einer wirklichen Angst begründet ist, sondern sie beruhen vielmehr auf Unwissenheit und falscher Ansicht!
In diesem Zusammenhang haben wir viel aus dem Buch des Schweizers Dr. Erich K. Ritter mit dem Titel „Über die Körpersprache von Haien“ entnommen. Nachfolgend möchte ich den vielen sich hier in Polynesiern in der See tummelnden Langfahrten-Crews - aber auch weiteren interessierten KYORY-Blog-Leserinnen und Lesern - einige spannende Infos aus diesem Buch weitergeben. Und wie immer wenn ich auf eine solch doch spannende Geschichte stosse, hole ich halt vielfach zu weit aus! Sorry, auch in diesem Fall können sie bei Nichtinteresse einfach einen Absatz weiter zum nächsten Thema weiter scrollen!

In diesem Buch von Erich Ritter werden Ideen vermittelt, wie Haie uns vermutlich „erfassen“ und welche Sinne sie wahrscheinlich zu welchem Zeitpunkt einsetzen. Und da die Haie ja nicht wissen können, was Menschen sind, interpretieren sie uns grundsätzlich als unbekannte Objekte. Folglich verwenden Haie auch uns Menschen gegenüber „Anschwimmmuster“, die sie auch bei anderen unbekannten Objekten verwenden. Sie setzen ihre Sinnes-organe in derselben Reihenfolge ein, wie es andere uns bekannte Beutetiere auch tun. Und dabei ist wohl am wichtigsten, dass sie ebenfalls permanent mit ihrer Körpersprache zum Ausdruck bringen, was ihre Absicht ist. Nun liegt es an uns Menschen diese Signale richtig zu interpretieren um sie dann für unsere Bedürfnisse zu nutzen.
Man geht davon aus, dass als erstes das Gehör der Haie ihnen die Anwesenheit einer Person bekannt gibt, wobei ihnen eine spezielle Innenohrstruktur noch ermöglicht, auch die Richtung aus dem das Geräusch kommt festzustellen. Ein zweites Hai-Organ, das er beim Näherkommen einsetzen kann, ist das Seitenlinienorgan. Dabei interpretiert der Hai Wasserdruckschwankungen, die ihre Quelle ungefähr zwei Körperlängen vom Hai entfernt haben. Gleichzeitig kann er auch den Wasserfluss, also die Strömung, feststellen. Ergänzend gibt es übrigens nur wenig Haiarten, die aufgrund von Gerüchen in Strömungen reagieren. Dabei gibt es auch keine Hinweise, dass ein Hai je durch Menschenblut oder menschlichen Urin angezogen wurde. Im weiteren darf aufgrund von Tests angenommen werden, dass die Haie in etwa unter Wasser so sehen wie wir Menschen. Wenn sich mal ein Hai so nahe an einen Menschen im Wasser heranwagt, dass er ihn gar berühren könnte, kommen beim Hai noch zwei Organe zum Tragen, die allerdings noch nicht im Detail erforscht sind. Dabei können sie mittels Berührung oder Hineinschwimmen in ein Objekt deren Festigkeit und bei einem „Test-Gaumenbeissen“ den Geschmack heraus filtern.

Nach erfolgter Analyse dieser verschiedenen Verhaltensweisen von Haien erarbeitete das Team um Erich Ritter ein Konzept das uns Menschen eine Chance gibt, eine Situation mit einem Hai nicht nur zu interpretieren sondern auch seine wahrscheinliche Absichten festzustellen. Die ermöglicht es uns, auch in scheinbar „gefährlichen“ Situationen richtig zu handeln bzw. sich entsprechend zu verhalten. Dabei versucht ein Hai mit bestimmten Grundmustern mit uns Menschen zu interagieren. In diesem Zusammenhang kommt der äussere Kreis bzw. die äussere Schwelle zum Tragen. Was damit gemeint ist kennt doch jeder von uns: Man läuft über einen Platz, wobei die gewählte Richtung uns zu einer Person hinführen würde, von der man einen gewissen Respekt (oder gar Angst) hat. Sobald wir das registrieren, werden wir die Richtung geringfügig ändern um dann in einer bestimmten Distanz zu dieser Person - vorausgesetzt, sie bewegt sich nicht - vorbeigehen zu können, ohne sich von ihr bedroht zu fühlen oder belästigt zu werden. Und solch ähnliche Situationen, wir können es gut nachvollziehen, wurden auch bei Haien beobachtet. Bei dieser sogenannten äusseren Schwelle (wie eine ihn umgebende „Kugel“) wird auch der Hai eine Anpassung in Bezug auf seine Schwimmrichtung vornehmen. Wir Menschen bezeichnen dies als persönliche Distanz und auch alle Tiere haben eine solche Komfortzone um sich herum. Auch der Hai wird nun bei einer Annäherung zu einem Menschen eine Richtungsänderung vornehmen, um nicht mit dem Objekt zu „kollidieren“ oder interagieren zu müssen. Je grösser nun der Winkel ist, an dem der Hai am Objekt vorbeischwimmt ist auch seine „Zurückhaltung“ entsprechend grösser! Die geringste Distanz, in der sich ein Hai an ein anderes Objekt im Wasser heranwagt, bezeichnet man als innere Schwelle oder den inneren Kreis. Stellen wir uns der Einfachheit halber wieder eine Kugel mit dem Hai im Zentrum vor. Meistens hat dieser innere Kreis einen Radius von etwa zwei Körperlängen des Hais. Aber es können sich Situationen ergeben, wo ein Mensch in die innere Schwelle des Hais gerät, wobei normalerweise der Hai mit grossem Winkel vom Menschen weg drehen würde. Sollte dies aber tatsächlich passieren, ist die wichtigste Regel, dass man nicht „die Nerven verliert“ und unter keinen Umständen den Hai gar zu schlagen versucht! Wenn ein Hai in diese unmittelbare Nähe zu uns kommt und uns Auskundschaften will, gibt es zwei sinnvolle Verhaltensmuster. Als erstes versuchen vertikal im Wasser zu stehen und mit leichten Flossenbewegungen oder in horizontaler Lage mit einer Hand sachte etwas Wasser gegen den Hai drücken. Dies da Veränderungen des Wasserdrucks im Leben eines Hais hinsichtlich Kommunikation eine wichtige Rolle spielen. Denn dabei wirkt sich schon eine solch kleine Druckveränderung auf die Kopfregion mit Augen und Kiemen aus. Der Hai wird seine Schwimmrichtung anpassen und sich meistens zurückziehen oder sich entfernen. Sollte der Hai aber keine oder nur eine undeutliche Reaktion zeigen, muss(!) man das Tier an sich herankommen lassen, bis man es „sachte“ an der Schnauzspitze mit der Hand oder dem Fuss wegdrücken bzw. ihm eine Richtungsänderung aufzwingen kann! Dieses sachte Wegdrücken eines Haikopfes fährt in den meisten Fällen zum Erfolg und zeigt die von uns gewünschte Reaktion. Und eines soll hier ganz klar festgehalten werden, einen „aggressiven“ Hai gibt es nicht. Sollte sich aber ein Taucher dennoch in einer Situation wiederfinden, in der er glaubt einen „aggressiven“ Hai vor sich zu haben, gibt es nur ein richtiges Verhalten, nämlich auf den Hai zu zu schwimmen! Spätestens dann wird der Taucher feststellen, dass der scheinbar aggressive Hai andere Absichten hatte.
Aber in den meisten Fällen sind Haie an Menschen nicht interessiert oder zu scheu und schwimmen im grossen Abstand an uns vorbei. Bei einem etwaigen frontalen Anschwimmen, dem Auskundschaften, kommt der Hai direkt auf den Taucher zu, macht aber beim Erreichen des inneren Kreises eine 180°-Drehung und entfernt sich in die Region aus der er auftauchte. Bei einem seitlichen Anschwimmen, wieder ein Auskundschaften, schwimmt aber der Hai zweimal am Objekt vorbei. Beim zweiten Passieren kann der Hai nun aufgrund seiner Nähe zum Objekt sein Seitenlinienorgan einsetzen, was noch mit Augenrollen und Kopfdrehen einher geht. Auch beim Umrunden eines Tauchers, auch dies ist ein Auskundschaften, kommt der Hai relativ sehr nahe heran, doch bleibt er meistens etwas weiter entfernt als es seine innere Schwelle erwarten würde.
Hier noch was zur „Flossensprache“ der Haien, denn die Brustflossen sind die wichtigsten Steuerorgane eines Hais. Ein beidseitiges Brustflossensenken hat in nahezu keinem Fall etwas mit „Aggression“ zu tun! Dabei werden einzig die seitlichen Körperoberflächen vergrössert, was seine Manövrierfähigkeit erhöht und ihm entsprechend ein Ausweichen zu beiden Seiten ermöglicht. Andererseits ist das Senken einer einzelnen Brustflosse ein deutliches Zeichen, zu welcher Seite der Hai abdrehen wird.
Auch noch wichtig zu wissen: Eine Hai reagiert auf helle Flecken, er deutet dies vermutlich als Verletzung, bei einem sich in seiner Nähe befindlichen Objekt. Also wird den Tauchern und Schnorchlern empfohlen den nächsten Anzug inklusive Taucherbrille, Handschuhe und Flossen nur in schwarzer Farbe zu kaufen!

Abschliessend bekennen sich Sandra und ich nach zwei Jahren friedlichem Zusammenleben mit den Haien, dabei va mit Schwarzspitz- und Weissspitz-Haien, zur stetig wachsenden Hai-Lobby und wir möchten auch unsere Langfahrtenfreunde wie unsere Blog-Leserinnen und Leser zu einem diesbezüglichen Umdenken bewegen! Denn Haie sind Lebewesen wie alle anderen auch und müssen daher auch mit Achtung und Respekt behandelt werden! Dass sie kein Äusseres wie ein Reh oder ein uns liebgewonnenes Haustier wie Katze oder Hund haben, ist nicht ihr Fehler, sondern die Natur hat sie so kreiert, und daran können wir nichts ändern! Aber Haie sind eindeutig nicht diese blutrünstigen, aggressiven und dummen Tiere, wie sie immer noch viel zu oft in den Medien und Hollywood-Filmen porträtiert werden, sondern sie sind schüchterne, zurückhaltende und sehr intelligente Tiere!
- Danke für ihre Unterstützung!

29. April 2019
Franz X. Lang / SY KYORY / Switzerland