Der Lebensstandard drückt das reale Niveau des Besitzes und Konsumierens von Gütern und Dienstleistungen aus und ist als quantitative Größe objektiv messbar. Demnach
wird damit der materielle Wohlstand und das physische Wohlbefinden für einen Menschen, eine soziale Gruppe, eines Staates vergleichbar gemacht.
Erinnern wir uns doch in diesem Zusammenhang wieder einmal an den Artikel 25 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“:
„Jeder Mensch hat ein Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet. Dabei sind Lebensmittel wie vor allem
Trinkwasser und Nahrungsmittel, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen ausdrücklich eingeschlossen!“
Aber wie viele Länder dieser Erde kennen wir, die ihrer Bevölkerung diese Rechte auch wirklich gewähren können?
Dabei warnen Wissenschaftler davor, die Ideologie der Gegenwart - die einen ständig steigenden Lebensstandard anstrebt - von den Industriestaaten auf die übrige Welt
zu übertragen. Die Ressourcen der Erde würden nicht ausreichen, um sowohl die Menschheit zu versorgen als auch die Stabilität der Ökosysteme zu erhalten. Die internationale Studie „Living Planet
Report“, die jährlich vom „Global Footprint Network“ herausgegeben wird, bestätigt diese Befürchtungen: „Wir bräuchten fünf Planeten wie die Erde, wenn alle Menschen so leben würden wie heute die
US-Amerikaner und die Europäer!“ Und der ökologische Fussabdruck wäre mehr als doppelt so groß wie die weltweit durchschnittlich verfügbare Biokapazität. Da eine intakte Umwelt eine elementare
Voraussetzung für einen hohen Lebensstandard ist, bedingt es eine Lösung in der Entwicklung neuer Wertvorstellungen jenseits der Wachstumsideologie: Der Lebensstandard müsste im Sinne von
„Lebensqualität“ völlig neu und nachhaltig definiert werden, um der Forderung der Menschenrechte gemäss Artikel 25 nachzukommen „und“ um auch die Regenerationsfähigkeit der Biosphäre - als
gesamter irdischer Lebensraum von Pflanzen und Tieren - dauerhaft zu erhalten!
In der Volkswirtschaft wird nun aber seit Jahren der allgemeine Lebensstandard mit teilweise fragwürdigen Indikatoren gemessen. Hierbei werden je nach Methode
wirtschaftliche und soziale Indikatoren berücksichtigt.
Oft als Maßstab genommen werden:
- das durchschnittliches BIP (BruttoInlandProdukt) pro Kopf der Bevölkerung,
oder
- das Pro-Kopf-Einkommen und andere vergleichbare Indikatoren aus der
Wirtschaftswissenschaft.
Nachfolgend wenden wir uns etwas detaillierter dieser Messgrösse des BIP zu, also der Messgrösse wie gut es weltweit den Staaten so geht!? Im Detail handelt es sich
beim BIP ja um den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres von der Volkswirtschaft hergestellt werden. Je höher also das BIP, umso erfolgreicher wähnt sich ein
Staat - und dabei natürlich vor allem ihre Politiker!
Aber mit dem BIP misst man leider nur das Wachstum und nicht den Wohlstand eines Staates! Wie wir aber gleich feststellen werden, weist das Brutto-InlandProdukt als
Wohlstandsmass einige Schwächen auf. Denn wenn zB unsere Gemeinden Wälder abholzen und an ihrer Stelle Wohnblöcke aufstellen - steigert dies das BIP! Auch wenn neue Autobahnen durch
Naturschutzgebiete oder Wohngebiete gebaut werden. Auch wenn aufgrund von Stress, Burnout-Symptomen und Unzufriedenheit, Abertausende von Menschen einen Arzt oder Psychiater aufsuchen müssen!
Auch wenn unsere Müllberge neue Abfall-verbrennungsanlagen erfordern! Auch wenn wegen unseren stets überfüllten Gefängnissen neue gebaut werden müssen! Auch wenn sogar irgendwo an einer
Meeresküste, eine durch Öltanker oder Ölplattformen ausgelöste erschreckende Ölkatastrophe eintrifft!
Denn all diese Punkte - und dies ist doch nun wirklich schwierig nachzuvoll-ziehen - wirken sich „positiv“ auf das BIP aus! Und ein solch unsinniges System ist der
Massstab für den Erfolg unserer Wirtschaft und unserer Politik!? Das kann und darf es doch wohl nicht sein!
So misst das BIP pro Kopf zB wohl wie hoch die Ausgaben für das Gesundheits-wesen sind. Aber nicht einen etwaigen Erfolg, den wir mit diesen Ausgaben erzielen. So
kann also, während dem unser Gesundheitssystem immer
ineffizienter wird, das BIP weiter stetig ansteigen, obwohl sich der allgemeine Gesundheitszustand der Bevölkerung nachgewiesener Massen eindeutig
verschlechterte!
So werden auch weder sauberes Trinkwasser, ebenso wenig wie gute Lehrer, eine gute Sozialversicherung oder gar eine ausgeglichene Verteilung des Wohlstandes erfasst.
Also ist doch eigentlich alles wesentliche, so auch die Lebensqualität, wie die Gerechtigkeit, unberücksichtigt. Wobei ich aber fairerweise bei diesen Anmerkungen schon auch festhalten muss, dass
solche Punkte vermutlich schwierig messbar sind. Aber keine Geiss schleckt all diese Vorbehalte weg, denn in diesem weltweiten BIP-Vergleich schneidet beschämenderweise eine Diktatur mit ihrer
Willkürjustiz nicht einen Deut schlechter ab als ein Staat mit einer soweit gut funktionierenden Demokratie wie zB die Schweiz! Dabei bläuen uns seit Jahren unsere Politiker unverdrossen ein,
dass auch weiterhin nur über dieses fragwürdige BIP-Messsystem der Zustand - respektive Wohlstand - eines Staates gemessen werden könne!
All diese ansatzweise vorerwähnten konzeptionellen Mängel lassen erkennen, dass eben das Wirtschaftswachstum kein Selbstzweck ist, sondern eigentlich einem
übergeordneten Ziel dienen sollte: Es soll möglichst vielen Menschen in einem Land gut gehen. Doch wie findet man heraus, ob das der Fall ist? Und was heißt überhaupt „gut gehen“? Ich komme etwas
weiter unten mit einem lesenswerten Beitrag über den kleinen Staat Bhutan auf diesen Themen-bereich zurück!
Schauen wir aber mal vorab als erstes, unter Berücksichtigung der vorerwähnten Anmerkungen, zwei BIP-Ranglisten an. Links das BIP des Jahres 2016 (Nominal pro Kopf
in Tsd. USD) und rechts das BIP des Jahres 2018 (Nominales BIP in Mia. USD):
BIP 2016 BIP 2018
Nominal p/Kopf in Tsd. USD Nominales BIP in Mia. USD
1. Luxemburg, 106.000 USD 1. USA, 20.000 Mia. USD
2. Schweiz, 81.000 USD 2. China, 13.000 Mia. USD
3. Macau, 77.000 USD 3. Japan, 5.000 Mia. USD
4. Norwegen, 75.000 USD 4. Deutschland, 4.000 Mia. USD
5. Irland, 71.000 USD 5. England, 2.800 Mia
USD
6. Island, 70.000 USD 6. Frankreich, 2.700 Mia. USD
8. USA, 59.000 USD 7. Indien, 2.700 Mia.
USD
15. Österreich, 47.000 USD 20. Schweiz, 703 Mia. USD
19. Deutschland, 45.000 USD 166. Bhutan, 2.3 Mia. USD
24. England, 40.000 USD
25. Japan, 38.000 USD
130. Bhutan, 3.000 USD
143. Indien, 2.000 USD
Hier eine weitere interessante und aussagekräftige BIP p/Kopf-Rangliste des Jahres 2017, mit Aufführung der wichtigsten Einnahmequellen der 10 reichsten und einigen
weiteren uns bekannten Länder!
So besitzen gemäss dieser nachfolgenden Rangliste fünf Mini-Staaten, gemessen am BIP p/Kopf, das meiste Geld. Dabei ist es mit dem Reichtum der
grossen Industrienationen, gemessen an der Kaufkraft, nicht weit her. Denn vor allem das Öl beherrscht die Welt: So finden wir unter den zehn reichsten Ländern
gleich fünf Staaten, die zumindest hauptsächlich vom schwarzen Gold oder seinem kleinen Bruder Erdgas leben.
1. Katar, 130.000 USD.
Somit bleibt Katar in dieser Rangliste auch nach 2016 die unangefochtene
Nummer 1. Das Emirat verfügt über die größten Erdgasreserven der Welt,
auch wenn sie sich das riesige Feld im Persischen Golf mit dem Iran teilen
muss. 66 Prozent des BIP erwirtschaftet Katar so mit dem Rohstoff Erdgas.
2. Luxemburg, 101.936 USD.
Luxemburg ist das reichste Land Europas, pro Kopf gerechnet das zweit-
kleinste Land der EU. So leben eigentlich nur etwa 600.000 Menschen in
diesem Großherzogtum. Das verdankt seinen Reichtum der Finanzwirt-
schaft: Banken und Versicherungen sowie viele Fonds haben nämlich ihren
Sitz in Luxemburg.
3. Macau, 96.147 USD.
Macau ist mit seinen auch nur 650.000 Einwohnern das Las Vegas des
Ostens. Die chinesische Sonderverwaltungszone, bis 1999 noch portugie-
sische Kolonie, bezieht seinen enormen Reichtum einzig aus dem nur hier in
China erlaubten Glücksspiel und dem damit einhergehenden Tourismus.
4. Singapur, 87.082 USD.
Singapur hat selber kaum Ölvorkommen, ist aber eines der wichtigsten
Ölverarbeitungsländer der Welt und stellt wichtige Maschinen für deren
Förderung her. Auch der Schiffsbau, ein großer Handelshafen und
neuerdings tragen auch die Biotechnik stark zum Wohlstand bei.
5. Brunei, 79.710 USD.
Brunei taucht als Land selten in den Nachrichten auf, ist aber enorm reich.
Die nur rund 400.000 Einwohner starke Erbmonarchie liegt auf der südost-
asiatischen Insel Borneo. Sie profitiert stark von den Öl- und Gasvor-
kommen vor der Küste und deren Einnahmen machen rund 60 Prozent des
BIP aus. Allerdings nutzt das nur den wohlhabenderen Bevölkerungs-
schichten, denn Brunei hat eine vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit und
die Schere zwischen Arm und Reich ist weit offen.
6. Kuwait, 71.263 USD.
Kuwait ist eines der ölreichsten Länder der Welt und die Reserven sind
einfach riesig: Wissenschaftler schätzen, dass Kuwait noch 90 Jahre lang
von seinen Ölfeldern leben kann. Zehn Prozent seiner Öleinnahmen legt
Kuwait in einen Staatsfonds an. Davon zehrt aber das Emirat derzeit, denn
bei niedrigen Ölpreisen übersteigen die Staatsausgaben die Einnahmen.
7. Irland, 69.374 USD.
Irlands Platz in dieser Liste ist ein bisschen erschummelt. Die grüne Insel
profitiert nämlich davon, dass aus Steuergründen viele große US-Konzerne
wie Apple, Microsoft und Facebook ihren Sitz in und um Dublin haben.
Trotzdem verdient aber Irland auch viel Geld mit dem Export von Chemie-
produkten, Software und Elektronik.
8. Norwegen, 69.296 USD.
Norwegens Wirtschaft ist ebenfalls stark von der Öl- und Erdgasförderung in
der Nordsee geprägt. Das Land nutzt die Einnahmen aus dem Rohstoff-
geschäft zudem für einen riesigen Staatsfonds, der die Gelder international
anlegt. Daneben bilden der Fischfang und die Holzindustrie weitere wichtige
Stützen der Wirtschaft.
9. Vereinigte Arabische Emirate, 67.696 USD.
Die Vereinigten Arabischen Emirate bilden sieben verschiedene
Monarchien, von denen die Hauptstadt Abu Dhabi und die Metropole Dubai
zu den bekanntesten gehören. Sie alle verdanken ihren enormen Reichtum
der Ölförderung und im Staatsfonds des Landes schlummern hunderte
Milliarden USD.
10. San Marino, 64.443 USD.
San Marino ist die älteste noch bestehende Republik der Welt. Das
komplett von Italien umschlossene Land wurde schon 301 gegründet und
hat aktuell nur etwa 30.000 Einwohner. Der Ministaat war lange Zeit eine
Steueroase. Dem hier angelegten Geld verdankt San Marino auch heute
noch seinen Wohlstand. Außerdem macht der Tourismus mehr als 50
Prozent der Staatseinnahmen aus.
11. Schweiz, 59.375 USD.
Haupteinnahmequellen: Chemie, Pharma und natürlich die Banken.
13. USA, 57.293 USD.
Haupteinnahmequellen: Vor allem aus Dienstleistungen.
19. Deutschland, 48.189 USD.
Haupteinnahmequellen: Autos, Elektrotechnik und Maschinenbau.
21. Österreich, 47.856 USD.
Haupteinnahmequellen: Dienstleistungen, Tourismus, Maschinenbau.
27. Großbritannien, 42.513 USD.
Haupteinnahmequellen: Finanzdienstleistungen sowie allgemeine
Dienstleistungen.
30. Japan, 38.893 USD.
Haupteinnahmequellen: Tech-Industrie, Maschinenbau und Chemie.
Nun aber erarbeitete gegen Ende der 1980er Jahre die UN - mit Unterstützung von weltweit namhaften Wissenschaftlern - zur Messung des Wohlstandes einen neuen Index,
den HDI (Human Development Index)! Dieser HDI setzt sich im Wesentlichen aus den drei Bereichen Einkommen, Bildung und Gesundheit zusammen. Als Variablen dienen zum Beispiel die Lebenserwartung
bei der Geburt, die durchschnittliche Zahl an Schuljahren und das Pro-Kopf-BIP.
Dieser doch schon um einiges fairere Index, führt uns wie die nachfolgende Rangliste von 2018 aufzeigt, zu einem etwas anderen Ergebnis, was trotzdem sicher noch
nicht alle meiner Blog-Leser befriedigen kann:
1. Norwegen
2. Schweiz
3. Australien
4. Irland
5. Deutschland
6. Island
13. USA
14. England
20. Österreich
134. Bhutan
Und weiter geht es im nachfolgenden Teil 3!
28. Juni 2019
Franz X. Lang / SY KYORY / Switzerland